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21.07.2022 im Langenzenner Stadtrat:

Stellungnahme der GRÜNE zum Haushalt 2022 der Stadt Langenzenn

„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, 

ist Ihnen gerade auch so heiß? Kein Wunder. Denn angesichts der Schuldenlage der Stadt Langenzenn, der zunehmenden Hitzetage, der Dürre auf unseren Feldern, des Notstands in unseren Kranken- und Pflegesystemen und des drohenden kalten Winters kann es einem schon ganz schön heiß werden.

In solch kritischen Situationen bedarf es, einen kühlen Kopf zu bewahren – und die Ärmel hochzukrempeln. Der Haushalt ist das mächtigste Steuerungsinstrument einer Kommune. Mit ihm lässt sich Zukunft gestalten. Und Zukunft heißt heute für unsere Kommunen: Resilienz, also Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen zu entwickeln und gleichzeitig das Beste dafür zu tun, um Krisen abzuwenden. 

Im Haushalt 2022 sehen wir einige wichtige Budgets, die für uns GRÜNE schon in die richtige Zukunft weisen:

-    Neue Stelle für Soziales: Unser Stadtrat hat erkannt, wie wichtig es ist, sich sozialer Themen anzunehmen, die angesichts steigender Preise, Alterung der Gesellschaft, pandemiebedingter Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen an Brisanz gewonnen haben. Mit einer neuen „Stelle für Soziales“ in der Verwaltung wird dieser gemeinschaftlichen Verantwortung Rechnung getragen.
-    Langenzenn setzt ein Budget von 200.000 Euro, um Projekte aus unserem Radewegkonzept umsetzen zu können – wobei das „wann und wo“ noch offen ist.
-    Langenzenn geht in die Vorfinanzierung für neue Bebauungsplänen für Freiflächen- und Agri-PV-Anlagen, die Feldwirtschaft und Stromproduktion verbinden
-    25.000 Euro für eine neue PV-Anlage auf den Dächern der Mittelschule. 
-    80.000 Euro für eine neue PV-Anlage auf der Kläranlage

Doch sind nicht gerade die letzten Punkt ehr ein Feigenblatt und keine besondere Anstrengung? Bauplanungskosten werden weitgehend auf Vorhabensträger umgelegt und manch Bürger engagiert sich stärker als die summierten rund 100.000 Euro für PV-Anlagen.

Aus unserer Sicht tut Langenzenn noch immer viel zu wenig für Klimaschutz. Erst in dieser Woche machten die Mitglieder des Hauptausschusses wieder eine dramatische 180 Grad Wendung und verwehrten sich einstimmig gegen unsere wichtige Bitte, 50.000 Euro in den Haushalt 2022 für die Förderung von PV-Anlagen und Speichern einzuplanen. Und dass, obwohl der Stadtrat noch im Frühjahr einstimmig und somit auch mit den Stimmen der Damen und Herren des Hauptausschusses, für diese kommunale Förderung gestimmt hatte. 
Im Hauptausschuss, das ist kein Geheimnis, sitzen die Fraktionsvorsitzenden und somit der Kern des Rates. Das bedeutet: im Kern ist dieser Stadtrat noch lange nicht bereit dafür, verbindliche Signale zu setzen. Stattdessen diskutieren wir noch immer darüber, ob Klimaschutz Pflichtaufgabe oder freiwillige Leistung sei. Aus meiner Sicht ist klar: Investitionen in unsere Energieversorgung und den Klimaschutz sind unverhandelbare Pflichtaufgaben. Dieser Haushalt 2022 kümmert sich zu wenig um die Belange des Klimaschutzes. Aus diesem Grund stimme ich diesem Haushalt nicht zu.
 
Wir GRÜNE sind überzeugt, dass unsere Stadt, unsere Gemeinschaft, jeder Einzelne von uns, sich auf dem bisher erreichten nicht ausruhen kann. Ich erinnere an die Vorgaben der Staatsregierung: Bayern soll in 23 Jahren Klimaneutral sein. Langenzenn ist noch viele Haushaltsjahre von der notwendigen Klimaneutralität entfernt und wir müssen weitere Anstrengungen unternehmen, um weniger Ressourcen zu verbrauchen.

Unser Energienutzungsplan stellte fest: „Die Stadt Langenzenn hat bislang noch keine öffentlich formulierten energiepolitischen Ziele, zum Beispiel in Form eines Leitbildes oder einer sonstigen politischen Willenserklärung.“ (S. 11) Wenn wir den Haushalt also tatsächlich als Steuerungsinstrument nutzen wollen, so müssen wir ihm auch eine Richtung geben. Dies gelingt nicht, indem man Schulden verwaltet, sondern die richtigen Impulse setzt.

So werden wir GRÜNE uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Themen Klima- und Umweltschutz sowie sozialer Zusammenhalt Einzug in die zukünftigen Haushalte finden.  Denn Klimaschutz – davon sind wir überzeugt – ist auch Haushaltsschutz. Jeder Hausbesitzer weiß: Investitionen in PV / Solarthermie und Speicher schonen nicht nur das Klima, sondern auch den eigenen Haushalt – sind also rentierliche Investitionen die sich doppelt auszahlen. Aber für solche Investitionen braucht es Mut und Konsequenz, die dieser Rat leider nicht immer hat. 

Ich will Ihnen nur ein paar wenige Budgets aus diesem Haushalt aufzeigen, die nach meiner Auffassung in die falsche Richtung zeigen: 

Budget für Heiz- und Stromkosten: 
Um die Heizkosten zu bezahlen, sehen wir im Haushalt 2022 -wie jedes Jahr- über 121.000 Euro allein für Heizkosten unserer städtischen Gebäude vor. (Turnhalle, Stadthalle, Rathaus, Verwaltung, Grund- und Mittelschule, usw.). Zusätzlich sind für Stromkosten knapp 190.000 Euro jährlich vorgesehen. 

Ich bemängel, dass wir uns viel zu wenig über alternative Heizungsunterstützung wie z.B. Solarthermie oder auch PV-Heizung oder Energiespeicher beschäftigen – um damit auch den Haushalt zu entlasten. Bislang hatte keiner den Mut, Solarthermie oder PV-Stromanlagen auf das Dach das Rathauses zu bauen. Ebenso leer sind die Dächer der Stadthalle und des Bauhofes. 

Aktuell ist die Heizung in unserem Hallenbad defekt. Die Ersatzheizung liefert rund 315 kW thermische Heizleistung und verbrennt dafür munter Öl/Gas –auch gerade jetzt während wir Nichtschwimmer hier sitzen. Auf dem Dach des Hallenbades befindet sich weder eine PV-Anlage noch eine Solarthermie zur Heizungsunterstützung. 

Solange wir nur Heizkosten-Posten dotieren und nicht endlich mehr Sonnenergie zur Heizungsunterstützung oder Energieerzeugung nutzen, wird unsere Stadt jährlich Hunderttausende Euros an Dritte bezahlen müssen. Wir brauchen mehr Heimat-Energien.

Budget für Kernwegenetz:
Bauchschmerzen bereiteten uns auch die angedachten 10 Millionen Euro für Feldautobahnen. Im Oktober 2021 stimmten wir als einzige Fraktion gegen die ILEK-Maßnahme "Ländliches Kernwegekonzept". Hierbei geht es um den millionenschweren und kilometerlangen Ausbau von bis zu 8 Meter breiten Feld- und Flurwegen zu Schnellstraßen für moderne XXL-Traktoren, Mähdrescher und Rübenlaster. 

Jetzt, im Haushalt 2022, sind für dieses Kernwegenetz bereits erste Bauplanungskosten vorgesehen, an dessen Ende noch Millionenschwere Investitionen stehen werden. Nur weil die Zugmaschinen immer größer und schwerer werden, sollte unsere Stadt nicht unreflektiert die dafür nötige Infrastruktur bezahlen. Vor allem nicht, weil wir die Fahrer der XXL-Maschinen nicht dazu verpflichten können, auch wirklich nur auf den Kernwegen zu fahren. 

Kernwege sind Irrwege und die müssen radikal verlassen werden.


Budget für freiwillige Leistungen:
Schulden aufnehmen oder tilgen hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Um dem hohen Schuldenstand zu begegnen und um eine neue Balance zwischen den Wünschen und Bedürfnissen heutiger und künftiger Bürger herzustellen entschied sich eine Mehrheit im Stadtrat für die Kürzung freiwilliger Leistungen (Leistungen für Vereine) und auch für die Erhöhung von Gebühren (z.B. der Kindertagesstätten).

Ich meine wir sind bei der letzten Suche nach der Golden Mitte schlicht ausgerutscht und haben zu viele freiwillige Leistungen gekürzt. Den Empfängern wird es fehlen. Eine Stadt lebt nicht allein nur durch die Pflichterfüllung. Vereine tragen zur sozialen Bildung bei, fördern gegenseitige Rücksichtnahme, sind für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Getragen wird dieses Engagement durch ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger. Dieses Engagement muss heute dringender denn je gefördert und geschätzt werden. Denn nur das aktive Leben einer Stadt macht sie für Unternehmen attraktiv, hält junge Menschen am Ort und fördert einen gesunden Zuzug.


Budget für Vizinalbahn:
Rückblickend sind wir sehr unglücklich über die wenig rentierlichen Ausgaben zur Sonderfahrt der 100jährigen Vizinalbahn. Im Haushalt 2022 sind für diese Ein-Tagesfeier Ausgaben in Höhe von 23.000 Euro vorgesehen. Mit diesen Geldern hätten wir schon zur Hälfe die PV-Bezuschussung finanzieren können. Frustrierend ist hierbei insbesondere, 
dass Bürger bis heute keine Antwort auf die Frage erhalten, wer für Fahrpreis-Rückerstattungen wegen chaotischer Planung und überfüllter Züge zuständig sei. Ergo: Wir zahlen im Haushalt dafür, fühlen uns aber nicht verantwortlich. Das ist sehr befremdlich.


Zum Schluss meiner Rede komme ich auf die aktuelle Gas-Krise zurück. Diese Krise wird auch unseren Haushalt in Kürze schwer treffen (Stichwort Resilienz). Die Explosionen der Heizkosten für unsere Verwaltungsgebäude, Bauhof, Feuerwehr, Schwimmbad, Turnhallen, Schulen, Stadthalle usw. werden uns massiv belasten. 

In Augsburg erwartet man +80% Kostensteigerung, die Stadt reagiert, bildet einen Krisenstab und verzichtet unter anderem auf den Warmbadetag in Schwimmbädern. 
In Nürnberg schließt man 3 von 4 Hallenbädern aufgrund der hohen Gaspreise. Und was tun wir in Langenzenn? Einen sichtbaren Krisenstab würde ich mir nicht nur bezüglich unserer Energieversorgung, sondern auch für die Pandemie oder den Hochwasserschutz wünschen.

Wir GRÜNE in Langenzenn sind bereit, unorthodoxe und pragmatische Reaktionen auf die Energie-Krise mitzutragen. Nichts tun ist keine Option mehr. Wir müssen Mehrheiten dafür finden unseren Energieverbrauch zu senken.

Und noch ein Wort: Regelmäßig reklamieren wir Räte eine fehlende übergeordnete Definition von Zielen und deren Erfolgskontrolle. Seitens der Fraktion der GRÜNE besteht eine klare Bereitschaft auch zu einer mehrtägigen Klausur außerhalb des Tagesgeschäfts, um unserer Stadt ein tragfähiges Leitbild zu geben.

Wir sagen den Mitarbeitern der Verwaltung, der Stadtwerke und der WBG/SEG herzlich Danke für ihr Engagement in unsere Stadt. Herrn Bürgermeister Habel und allen Kolleginnen und Kollegen in diesem Gremium danken wir für die Zusammenarbeit.

Michael Gawehn
Fraktionsvorsitzender
Bündnis 90 / Die Grünen
 

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